Rudi Kost

Was ist los mit Trimmel?

Inhalt

Trimmel heiß ich

Trimmel und die Psychiater

Trimmel, das Ekel

Trimmel, dein Freund und Helfer

Trimmel, der Säufer

19. Januar 1919

Trimmel, der Profi

Trimmel und seine Leute

Edmund Höffgen

1. April 1945

Gaby Montag

Trimmel lacht

Anhang

Trimmel im Buch

Trimmel im Fernsehen

Erschienen 1986 in der Reihe "Kabinett der Detektive", Poller Verlag
ISBN 3-87959-266-7
© Rudi Kost

 

Vergriffen; gebraucht erhältlich zum Beispiel bei:

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Trimmel heiß ich

Trimmel ist ja gar nicht so. Der Mann – der Kriminalpolizist, der seit 1968 als Sachbearbeiter zahlreicher spektakulärer Fälle von sich reden machte und über dessen Wirken in Buchform wie auch im Fernsehen dutzende und aberdutzende Male zur Freude einer immer größeren Fan-Gemeinde berichtet wurde –, dieser Trimmel kann auch ausgesprochen liebenswürdig sein.

Er gibt es nur nicht gerne zu. Er hat sich so an sich gewöhnt, daß er jedesmal fürchterlich erschrickt, er am meisten, wenn er aus der Rolle fällt.

Seine Stimmungen wechseln wie das Wetter im April. Er ist, unbestritten, das As der Hamburger Kripo und hat im Polizeihochhaus am Berliner Tor solchen Vertrauenskredit, daß er sich fast ungestraft die eine oder andere Eigenmächtigkeit erlauben kann und auch manche krumme Kiste.

Er kommt und geht, wie es ihm beliebt. Entschuldigungen sind von ihm grundsätzlich nicht zu erwarten. An der Wand seines Büros mit den abgewetzten Möbeln hängt der gerahmte Spruch[1]

Der Beamte hat immer recht

Er erlegt sich keine Zurückhaltung auf. Er knurrt und brummt und brüllt und tobt; merkwürdigerweise sieht er dann immer aus wie der Schauspieler Walter Richter, und einige sind verstört.[2] Paul Trimmel, Hauptkommissar. Der Mann, den man so schnell nicht vergißt.

Paul Trimmel, seit ewigen Zeiten Leiter der Kriminalgruppe 1, also der Kommissariate 201, 202, 203 einschließlich der ständigen Mordkommission. Tiefe, haarige Stimme. Stämmige Gestalt. Vierkantiger Schädel. Eisblaue Augen. Eisgraues Haar, Bürstenhaarschnitt. Grauer Maßanzug, wenn er vor Gericht erscheinen muß. Eine wandelnde Contradictio in adjecto, wie es sein humanistisch gebildeter Chef formuliert hat: ein leibhaftiger Widerspruch ... scheinbar humorlos, scheinbar rücksichtslos, aber auch scheinbar fassungslos über alles und jeden, der nicht so reibungslos funktioniert wie er selbst.

Zu seiner Beliebtheit trägt das nicht unbedingt bei. Man haßt ihn nicht, keineswegs. Man kann ihn nur nicht besonders gut leiden. Man respektiert ihn. Als Bullen, der noch fast jeden Fall geknackt hat, der ihm untergekommen ist.[3] Aber als Mensch?

Ihn zu mögen, fällt reichlich schwer, und wenn man’s doch geschafft hat, darf man es ihm um Himmels willen nicht allzu deutlich zeigen. Für Gefühle hat er nichts übrig. Wahrscheinlich hat er gar keine.

Paul Trimmel, die Maschine zur Aufklärung von Verbrechen aller Art. Ein Monomane, und Monomanie ist ein ziemlich abnormer Geisteszustand, das weiß er selbst.

Aber er kann auch anders, wenn er will. Dann ist er sanft, sogar geduldig, sogar väterlich. Wenn er will. Will er nicht immer? Oder kann er nicht immer? Vielleicht ist Trimmel, weiß man’s denn so genau, ein kleines bißchen schizoid? Nur so ein kleines bißchen?

Schlanker ist er geworden neuerdings und lange nicht mehr so bärbeißig; er ähnelt jetzt mehr dem Schauspieler Gerd Kunath.[4] In seiner Umgebung beobachtet man das mit Staunen und munkelt so allerhand. Trimmel tut so, als merkt er nichts. Er denkt nicht im Traum daran, sich zu erklären, in der Beziehung ist er immer noch der alte.

Es ging ihm, man darf das ruhig verraten jetzt, ziemlich dreckig einige Zeit, und seine Leute, fürsorglicher um ihn bemüht, als ihm lieb war, hatten ihn geschont und aus allem herausgehalten, soweit das nur möglich war. Er trat vorübergehend nur noch selten in Büchern auf, und auch die Filme über ihn – zurecht: TATORTE – ließen auf sich warten.

Er war einfach mal verschwunden. Krankgeschrieben und unerreichbar für jeden. "Ne alte Geschichte, noch aus dem Krieg", hatte Trimmel gemurmelt, bevor er ging.

Mehr sagte er nicht, und mehr war nicht zu erfahren, auch nicht von Gaby. Trimmels Kerntruppe war ratlos und ernsthaft besorgt. Der alte Geheimniskrämer! Zum Henker, er war ein Leuteschinder, und oft genug hätten sie ihn auf den Mond schießen können. Aber wenn er weg war, fehlte etwas. Ein Tatort ohne ihn, das war die reinste Langeweile.

Aber so sehr sie sich auch bemühten, Petersen, Laumen und die anderen, sie kriegten nicht raus, daß Trimmel vor seiner wundersamen Wiedergeburt wahr und wahrhaftig beim Psychiater war.

 *

Trimmel auf der Couch – im Grunde darf das eigentlich gar nicht wahr sein! Aber da liegt er tatsächlich. Ohne lange zu fragen, hat er sich auf die Liege geworfen, kaum daß er zur Tür herein ist.

"Nun mal langsam", sagt Dr. Lorff amüsiert, "es gibt bei mir auch halbwegs bequeme Sessel."

"Wieso", fragt Trimmel, "ich dachte, bei euch Seelenklempnern geht’s nicht ohne Couch ..."

"Das", antwortet darauf der Seelenklempner, "sollten doch gerade Sie besser wissen."

Und ob er das weiß. Aber Trimmel, merkt Dr. Lorff, ist verstört.

"So ganz wohl scheint Ihnen in Ihrer Haut nicht zu sein?" fragt er mit aller Vorsicht.

"Ich fühl mich miserabel", sagt Trimmel, ehrlich und direkt wie immer.

"Darum sind Sie ja wohl auch hier. Auf meiner Couch." Wenn’s auch mittlerweile nur noch symbolisch gemeint ist.

Aber bisher hat Trimmel immer andere auf die Couch legen lassen, und das ist dann doch was anderes.

Noch einmal versucht's Dr. Lorff mit gutem Zureden. "So kenn ich Sie gar nicht, Sie Draufgänger."

"Ich kenn mich selber nicht mehr", knurrt Trimmel ungnädig. Und, wie Dr. Lorff feststellt, auch tatsächlich einigermaßen unglücklich.

"Wird schon nicht so schlimm werden", kommt er ihm zu Hilfe. "Was jetzt hier abläuft, bei Ihnen und zwischen uns, das ist doch nichts Neues für Sie. Sie haben doch, weiß Gott, Ihre Erfahrungen mit Psychiatern."



[1] Den hat ihm allerdings, Wahrheit muß sein, Höffgen einmal zum Geburtstag geschenkt, aber Trimmel, immerhin, ließ ihn lange Zeit hängen. Als er ihn später ohne Angabe von Gründen durch ein Aquarell (Lüneburger Heide-Landschaft) ersetzte, war Höffgen beleidigt.

[2] Zum Beispiel Robert Gerber.

[3] Aufklären und beweisen können sind freilich zwei Paar Stiefel, siehe "Trimmel und Isolde".

[4] Daß Trimmel immer wieder mit Schauspielern zu tun hat, kommt nicht von ungefähr. Hysteriker sind immer Schauspieler, sagt Dr. Lorff (und Schauspieler oft Hysteriker). Und Trimmel ist ein Hysteriker, sagt Dr. Lippmann.